Und es war Sommer – Teil 1

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Ydalir
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Und es war Sommer – Teil 1

Beitragvon Ydalir » Sa 9. Jan 2016, 16:38

Ein weiterer heißer Tag ging zu Ende. Seit mehr als drei Wochen brannte die Sonne jeden neuen Tag dermaßen erbarmungslos vom Himmel, dass es selbst nachts nicht mehr abkühlte. Weder war eine Wetteränderung geschweige denn Regen in Aussicht. Vielleicht nach Mittsommer wurde am Abend vom Moderator der Wetternachrichten vage gemutmaßt. Aber bis dahin würden noch zehn Tage vergehen.

Mittlerweile lähmte mich die Hitze nur noch; aber nicht nur mich. Auch meine Tochter litt zusehends mehr und mehr unter den hohen Temperaturen.

Jeden Nachmittag kam meine kleine Lena matter aus der Vorschule nach Hause. Es tat mir innerlich direkt weh, sie schlaff und müde den Weg zum Haus schleichen zu sehen, nachdem der Bus sie an der Zufahrt entlassen hatte. Sobald ich sie ausmachte, ging ich ihr entgegen und nahm ihr den Ranzen ab. Manchmal trug ich sie auch einfach bis ins Haus, direkt ins Bad und duschte sie kalt ab. Doch seit ein paar Tagen lief sie ohne Umwege auf die Terrasse, zog sich aus und rannte die wenigen Meter zum See, in der Hoffnung, wenigstens darin etwas Linderung zu erfahren.

Mit unserem Ritual hatte ich sie auch an diesem Abend ins Bett gebracht. Ausziehen, Nachthemd an, Zähne putzen, eine Geschichte vorlesen, beten und sie sanft in den Schlaf streicheln. Als Decke reichte ihr derzeit ein Leinenlaken. Später, wenn ich ins Bett ging und noch einmal bei ihr hereinschaute, hatte sie aber meist selbst diese dünne Zudecke wieder weggestrampelt.

Nachdem Lena eingeschlafen war, ging ich runter in die Küche, holte mir aus dem Kühlschrank den gestern geöffneten Weißwein und goss mir ein Glas halb voll ein. Als ich auf die Veranda nach draußen trat, stand die Sonne immer noch hoch am Himmel. Während der Tage vor und nach Midsommar kam so gut wie keine Abendstimmung auf. Ich setzte mich im Schatten der alten Kastanie auf die Stufen, die von der Terrasse runter auf den Rasen und von dort ans nahe Seeufer führten. Kurz nippte ich am Glas und stellte es neben mir ab. Langsam ließ ich meinen Blick über das Wasser schweifen. In einiger Entfernung dümpelten vereinzelte Segelboote in der lauen Brise. Auf den kleinen Wellen tanzte glitzernd der Schein der Abendsonne. Milchig weiße Wolkenschleier zogen der kurzen Sommernacht entgegen.

Tief sog ich die Luft. Es duftete nach Moos und reifen Holunderbeeren, Baumharz und Seetang. Die Natur hielt für mich an diesem Abend einen wunderbaren Cocktail bereit. Ich lehnte mich gegen den Pfosten des Geländers, schloss die Augen und lauschte. Nicht weit entfernt hörte ich eine Amsel trällern, im Gras um mich herum zirpte und summte es unablässig. Nur wenig später fiepte es ganz zaghaft dicht bei mir. Ich musste schmunzeln, machte die Augen wieder auf und sah mich vorsichtig um. Dann entdeckte ich ihn, unseren kleinen Spatz, zu meinen Füßen sitzen. Er schien mich erwartungsvoll aus seinen dunklen Knopfaugen zu mustern. „Lena schläft“, flüsterte ich und musste erneut schmunzeln. Sie hatte ihn handzahm gemacht und an uns gewöhnt. Immer wenn einer von uns nach draußen kam, erhielt er ein paar Brotkrümel oder etwas Vogelfutter aus der Hand. Als ich ihm aber nach kurzer Zeit nichts präsentierte, flog er davon.

Ein zarter Windhauch spülte erste aufsteigende Kühle des Wassers um meine nackten Waden und Füße. Wenn ich hier einfach nur so saß, vom schweißtreibenden und anstrengenden Tag ausspannen konnte, der Natur zusehen und zuhören durfte, breitete sich in mir ein großer Frieden aus. Gerade dann genoss ich es sehr, dieses, mein Fleckchen Erde am Ufer des Vänern inmitten eines lichten Wäldchens von Birken und Kiefern; und der alten Kastanie nah beim Haus. Nicht selten wurde mir immer wieder bewusst, welch großes Geschenk ich bekommen hatte, hier leben und gleichzeitig arbeiten zu dürfen.

So war es auch an diesem Abend und ich ließ meinen Gedanken einfach freien Lauf.

Seinerzeit, als ich eher durch Zufall dieses Kleinod entdeckte, lag es noch tief im Dornröschenschlaf. Doch schon sehr bald sollte es daraus erwachen. So wie ich, war auch meine Frau sofort verliebt. Unser Paradies schien nur auf uns und niemand anderen sonst gewartet zu haben.

Ich sehe meine Frau und mich wieder von der Hauptstraße auf den verwunschenen Weg abbiegen und in den Wald eintauchen. Damals meinten wir, uns verfahren zu haben, weil der holprige Pfad überhaupt nicht enden wollte und obendrein auch immer schmaler wurde. Tiefer und tiefer führte er uns in den grünen Urwald. Ich war fast drauf und dran, bei nächster Gelegenheit einfach umzudrehen. Doch meine Frau bestand darauf, weiterzufahren. Wie nah wir unserem Ziel tatsächlich schon waren, sollte ich wenige Momente später sehen, als sich vor uns ein kleiner Platz auftat. Auch wenn er leicht verwahrlost aussah mit seinen wilden Brombeerranken, die nach allem griffen, woran sie sich festhalten konnten. Hüfthohes wildes Gras wiegte im leichten Wind. Hier und da lagen vertrocknete Äste herum.

Uns klappten die Münder gleichzeitig auf. Wir waren wie verzaubert. „Malerisch märchenhaft.“ Mit diesen Worten hatte meine Frau auch meine ersten Gedanken absolut treffsicher ausgesprochen.

Auf der kleinen Lichtung erblickten wir SIE – unsere Villa Kunterbunt. Ein wenig vernachlässigt und traurig sah sie aus. Dabei versprühte sie doch so viel heimeligen Charme. Ihre rote Farbe war leicht verblasst und blätterte an einigen Stellen schon ab. Moos legte dem Dach eine Decke über, als würde das Haus beschützt werden müssen. Wie geschlossene Augenlider wirkten die einstmals weißen zugeklappten Fensterläden.

Nichts hielt uns davon ab, dieses Juwel kaufen zu wollen. Nicht ihre Eltern, nicht meine Eltern. Wir stürzten uns Hals über Kopf in ein Abenteuer, ohne zu wissen, was auf uns zukommen würde. Und auch das eine Jahr, bis unser neues Zuhause bezugsfertig war, brachten wir irgendwie rum.

Als es endlich soweit war, gingen wir bewusst den einzigen Weg auf unserer Halbinsel von der Hauptstraße zu Fuß bis zu unserem Ziel. Nun war es endlich geschafft. Unser Haus hatten wir Lena getauft. Meine Frau war fest davon überzeugt, dass das Kind, welches sie seit drei Monaten unter ihrem Herzen trug, nur ein Mädchen werden konnte. Und sie wünschte sich auch für unser Kind den Namen Lena. Mit ihr über Jungennamen zu diskutieren, konnte ich schlichtweg vergessen.

Da ich beruflich meine eigenen Vorstellungen realisieren wollte, hatte ich im Zuge der Komplettsanierung unseres Hauses unweit davon eine Werkstatt mit angrenzendem Verkaufsraum errichten lassen. Gelernt hatte ich einst den Beruf des Möbeltischlers. Vor einigen Jahren kam auch das Schnitzhandwerk dazu, eher durch Zufall. Oben, an der etwas entfernten Landstraße, wies ein Schild auf meine Wirkungsstätte und den Laden hin.

Fußläufig fünf Minuten vom Laden entfernt ließ ich ein weiteres neues, kleineres Haus bauen. Ebenfalls direkt am Wasser. Es gab genügend Menschen, die vom Alltagsstress Erholung pur suchten. Diese Erkenntnis hatte ich von einem Nachbarn erfahren. Sein Ferienhaus fand reißenden Absatz, speziell bei deutschen Urlaubern.

Ausgestattet hatte ich das Häuschen mit allem, was von einem etwas überdurchschnittlichen Ferienhaus erwartet werden durfte. Selbstredend stammten alle Einrichtungsgegenstände aus meiner Werkstatt. Auf diese Weise konnte ich nebenbei potenziellen Interessenten einen handfesten Nachweis und Beweis meines Könnens zeigen. Wie sich im Laufe der Jahre herausgestellt hatte, mit steigendem Interesse.

Bis zu vier Personen bot das Domizil eine gemütliche Bleibe, die auch bei schlechtem Wetter genügend Freiraum hergab, sich allein zurückzuziehen. Um die Vermarktung kümmerte ich mich nach ein paar Enttäuschungen mit verschiedenen Agenturen nun selbst. Denn die Leute, mit denen ich in meiner unmittelbaren Umgebung auskommen musste, wollte ich mir aussuchen.

Meine letzten Gäste waren vor einer Woche abgereist. Bisher lag mir auch keine neue Anfrage oder Buchung vor.

Noch ganz in Gedanken griff ich zum Weinglas. Der Schluck rann mir gerade die Kehle runter, als Geräusche eines näherkommenden Autos zu mir drangen. Der Motor wurde abgestellt und kurz darauf klappte eine Autotür. Kurz rief ich in Gedanken die aktuellen Buchungsanfragen ab. Doch erst in sechs Wochen würden wieder neue Gäste kommen. Also stand ich gemächlich auf, trottete in aller Ruhe ums Haus zur Vorderseite und sah nach, wer um diese Zeit bei mir eintraf. Nur eben erhaschte ich einen Blick auf das Autokennzeichen. Sofort war mir klar, dass die junge Dame, die gerade zur Haustür ging, sich nur verfahren haben konnte. Daher sprach ich sie auf Deutsch an. „Guten Abend“, grüßte ich. „Kann ich Ihnen helfen?“

Sie rauschte herum und schlug sich beide Hände vor die Brust. „Hab ich mich erschrocken!“

„Tut mir leid. War nicht meine Absicht“, entschuldigte ich mich und blieb höflich auf Distanz stehen, wiederholte aber nochmals meine Frage: „Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?“

Sie kam näher. „Ja. Ich bin auf der Suche nach Christian und Hedwig Forsdalen. In Säffle hab ich an einer Tankstelle gefragt. Aber ich hab mich anscheinend wohl doch verfahren.“

Ein Schmunzeln konnte ich mir einfach nicht verkneifen. Denn das an der Straße stehende Schild, mit den Hinweisen auf Werkstatt und Laden, und auch auf meinen Namen, war einfach nicht zu übersehen. Selbst bei Dunkelheit konnte man im Scheinwerferlicht alles Wichtige darauf erkennen. „Christian steht vor Ihnen“, sagte ich.

Peinlich berührt hielt sie augenblicklich eine Hand vor den Mund und wurde rot. Ein schöner Kontrast zu ihren mittelblonden Haaren.

„Sagen Sie mir denn auch, was Sie möchten?“, fragte ich weiter.

Unverkennbar brauchte sie einen Moment, sich zu fangen. „Ich bin Christel. Christel Schmitz. Hedwig ist eine meiner ehemaligen Klassenkameradinnen aus der Schulzeit. Ich weiß nur noch von früher, dass sie geheiratet hat und mit ihrem Mann nach Schweden gezogen ist. Die Adresse stand auf einem Brief, den sie mir vor etwas über drei Jahren geschrieben hatte. Nur leider schlief wohl unser Kontakt ein, denn ich habe zwar zurückgeschrieben, aber nie wieder eine Antwort erhalten.“

„Sie sind hier richtig“, bestätigte ich. „Wenn Sie möchten, kommen Sie bitte mit. Ich sitze gerade auf der Terrasse und genieße einen Wein“, einladend wies ich auf den Weg ums Haus und ging vor. „Möchten Sie sich setzen?“, fragte ich und zeigte in Richtung der Sitzgruppe auf der Veranda, bückte mich um mein Glas aufzunehmen und es auf den Tisch zu stellen. Kurz musterte ich sie und erkannte eine gewisse Unsicherheit. „Auch?“, stellte ich daher meine nächste Frage und zeigte kurz auf mein Glas.

Sie nickte zaghaft. Ihre grobwelligen Haare vibrierten leicht bei dieser Bewegung. Für mich sah es allerdings eher so aus, als spiegelten sie Christels innere Verfassung wieder. Ich verschwand in die Küche und brachte ihr ebenfalls ein halb volles Glas Wein mit. Dazu stellte ich ihr noch eine Flasche Wasser und ein weiteres Glas hin.

„Willkommen, Christel“, prostete ich ihr zu und setzte mich. Doch wie sollte ich es ihr jetzt sagen? Nach kurzem Überlegen wählte ich entschlossen die direkte Variante. Ohne Schnörkel. „Ich muss dir aber leider sagen, dass du Hedwig hier nicht mehr antreffen wirst. Sie ist tot. Vor fast drei Jahren ist sie gestorben. Lena, unsere Tochter, und ich, wir leben hier jetzt allein. Sie ist sechs Jahre.“

Beinahe hätte Christel das Glas fallen lassen, als sie auf mein Zuprosten auch einen Schluck trinken wollte. Nicht nur ihre Hand zitterte plötzlich. Schlagartig war sie auch kalkweiß geworden. „Nein!“ Ihre Stimme klang nicht glaubend dessen, was ich ihr unverblümt mitgeteilt hatte.

„Doch. Leider“, sagte ich und strich mir übers Kinn. „Leider ist es so.“ Entschuldigend zuckte ich mit den Schultern. „Glaub mir, wenn ich könnte, würde ich es ganz bestimmt rückgängig machen. Allein schon wegen Lena.“

Ich konnte sehen, wie es in ihr arbeitete. Aber wie hätte ich es sonst sagen sollen? Es war nun einmal Tatsache. Außerdem hab ich noch nie was von umständlichen Worten gehalten. Trotzdem war ich neugierig genug, um erfahren zu wollen, warum sie sich aus dem fernen Hamburg auf diese weite Reise begeben hatte, ohne sich vorher zu erkundigen oder mal am geplanten Ziel anzurufen.

„Tja“, sagte sie niedergeschlagen, „das weiß ich auch nicht.“ Etwas gefasster fuhr sie nach einer kleinen Pause fort: „Eigentlich wollte ich Hedwig überraschen. Seit der Grundschule waren wir unzertrennlich. Auch später, als wir gemeinsam auf die Mittelschule wechselten, kam es so aus, dass wir wieder in einer Klasse waren. Sogar als ich, wegen der beruflichen Versetzung meines Vaters, nach München ziehen musste, telefonierten wir sehr oft und haben uns in den Ferien gegenseitig besucht. Irgendwann hat sie dich ja dann kennengelernt und ist dir hierher gefolgt. Da irgendwo muss es passiert sein, dass wir uns aus den Augen verloren.“ Sie schnaufte tief durch. „Na ja. Ich breche dann besser wieder auf. Gibt es hier irgendwo ein Hotel in der Nähe?“

„Ups!“, dachte ich und sagte: „Warum so eilig? Bin ich dir … etwa unheimlich?“, und sah sie direkt an. „Aber bitte, wenn du unbedingt wieder aufbrechen willst, in Säffle findest du in der Olov Trätäljagatan eine kleine Pension. Ruf aber besser vorher an, ob was frei ist. Wir haben Hochsaison. Ich hol dir eben das Telefon“, ließ ich sie wissen und wollte aufstehen.

Plötzlich sah ich sie wieder zum Glas greifen und einen ersten Schluck trinken. Warum sie das jetzt so demonstrativ tat, wollte ich nicht näher ergründen. Allerdings erklärte ich ihr eindringlich, dass man in Schweden besser mit 0Promille unterwegs ist.

„Weiß ich“, sagte sie irgendwie bockig. „Ich habe aber gerade beschlossen, die Nacht im Wagen zu verbringen. Wieder die kurvige Landstraße zurück? Bei Dämmerung? Ich hab fast zwei Stunden bis hierher gebraucht.“ Wobei der letzte Teil eher trotzig und wie ein Vorwurf klang. Irgendwas musste ich an mir haben, dass sie so merkwürdig und fast schon reserviert reagierte.

„Im Auto schlafen“, wiederholte ich schmunzelnd ihren reichlich absurden Vorschlag. „Hast du Lust, morgen als Streuselkuchen aufzuwachen? Die Mücken werden dankbar über dich herfallen. Ich hab dahinten ein Ferienhaus stehen. Komplett eingerichtet. Wenn du willst, kannst du da schlafen“, bot ich an und zeigte in die Richtung.

„Wer bist du? Was machst du hier?“

Aufgeschreckt rauschten wir beide herum.

„Och Lena!“, fuhr ich sie ungewollt scharf an. „Musst du uns so erschrecken?!“ Trotzdem stand ich auf und nahm sie auf den Arm. „Das ist Christel Schmitz aus Deutschland. Sie ist eine Freundin von Mama.“

„Aber Hedwig ist doch tot. Warum ist sie dann hier?“, wollte sie trotz ihrer nicht zu übersehenden Müdigkeit wissen. Die Neugier meiner Tochter kannte nur sehr selten Verschnaufpausen.

„Liebes, das ist eine zu lange Geschichte für einen zu kurzen Abend. Du sagst jetzt Christel eine gute Nacht und dann bring ich dich wieder hoch.“

„Nee. Hab Mücken im Zimmer. Will in dein Bett“, gähnte sie unbefangen und schmuste sich gegen meine Schulter. Murmelnd entließ sie noch ein „Gute Nacht“ und ließ sich wieder nach oben tragen.

„Gut. Dann eben in mein Bett. War dein Fliegenrollo nicht unten?“, wollte ich auf dem Weg in mein Schlafzimmer wissen.

„Weiß ich nicht“, gähnte sie ein weiteres Mal und kuschelte sich in mein Bett. „Kommst du auch gleich?“

„Nicht gleich. Nachher. Christel schläft im kleinen Haus. Und ich möchte noch in Ruhe meinen Wein trinken. Schlaf gut, meine Süße.“

„Du auch, Papa. Hab dich lieb.“

„Ich hab dich auch lieb. Ganz doll sogar“, gab ihr noch einen Kuss und streichelte sie erneut in den Schlaf.

„Entschuldige“, trat ich nach einer Weile wieder auf die Terrasse, „aber die Hitze.“

„Ein Gesicht mit Hedwig“, sagte Christel nachdenklich und starrte auf den See hinaus, nippte dabei gelegentlich am Glas.

Ab und zu sah sie auch mich an, zögerte sichtlich und wusste wohl nicht, ob sie die brennendste Frage in dem Moment stellen durfte, und wandte den Blick zurück aufs Wasser. Für mich war es mittlerweile kein Problem mehr, darüber zu sprechen. „Du kannst ruhig fragen“, sagte ich. „Aber ich kann auch einfach erzählen.“

Abrupt drehte sie den Kopf wieder in meine Richtung. „Du bist ein merkwürdiger Typ“, sagte sie leicht vorwurfsvoll. „Kennst mich überhaupt nicht und tust so, als hätten wir schon in der Sandkiste miteinander gespielt.“

„Ja und? Muss ja nicht. Kann auch meinen Mund halten“, antwortete ich gleichgültig, stand auf und holte die Weinflasche. Mir fiel es schwer zu glauben, dass das Hedwigs beste Freundin gewesen sein sollte. Von der Fensterbank nahm ich mir noch Pfeife und Tabak, stopfte sie und paffte einfach still vor mich hin. Ich musste nicht reden. Tagsüber wechselte ich genug Worte mit meinen Angestellten und Kunden. Obendrein war Lena auch nicht auf den Mund gefallen.

Wie aus dem Nichts stand Christel plötzlich auf, sagte noch „Danke für das Angebot“ und ging ums Haus. Kurz darauf hörte ich sie wegfahren.

„Wenn du meinst“, murmelte ich vor mich hin, trank in Ruhe meinen Wein aus und leerte die Pfeife. Kurz räumte ich noch auf, um wenig später meine Kleine in ihr Bett zu bringen und mich dann selbst hinzulegen.

Vorhin hatte ich noch das Mückenrollo runtergezogen und den von Hedwig damals so verhassten Insektenvernichter eingeschaltet. Das Ding war einer unserer wenigen Streitpunkte. Ich konnte sie leider nie davon überzeugen, dass darin keine Chemie, sondern eben nur Pflanzenextrakte waren, die den Blutsaugern den Garaus machten. Gift hätte ich im Kinderzimmer auch nicht eingesetzt.

* * *

Mein zweibeiniger Wecker holte mich allmorgendlich aus dem Schlaf.

Ebenso auch an jenem Samstag. Nur leider für einen Wochenendtag viel zu früh. Auch wenn sie sich still an mich kuschelte und dann selbst wieder fest einschlief, ich dämmerte nur noch. Richtig schlafen war nicht mehr drin.

Irgendwann gegen acht Uhr stand ich auf und machte mich fertig, um anschließend unser Frühstück zuzubereiten. Spätestens, wenn Kaffeeduft durchs Haus zog, patschte Lena barfuß ins Esszimmer. Und wehe mir, ihre warme Milch stand nicht schon auf dem Tisch.

Wir hatten im Laufe der Jahre unsere Marotten und Gewohnheiten angenommen. Und wir kamen gut miteinander aus. Natürlich fehlte ihr die Mutter. Ich gab mir aber erst gar keine Mühe, sie ersetzen zu wollen, weil es einfach nicht möglich ist. Kein Mann kann eine Mutter ersetzen. Jedoch verbrachte ich so viel Zeit wie möglich mit meiner Lena, um ihr Liebe und Geborgenheit zu schenken.

Wie erwartet kam sie an und wollte sofort wissen: „Ist die Frau noch da?“

Ich drehte mich zu ihr. „Nö. Ist dann doch wieder gefahren. Weiß auch nicht warum.“

„Die ist komisch“, gab sie mir sehr direkt zu verstehen. „Die mag ich nicht“, und sie machte bei diesen Worten ein Gesicht, als hätte sie in einen sauren Apfel gebissen.

„Du findest alle Frauen komisch“, stellte ich fest. Das tat sie grundsätzlich bei jedem weiblichen Wesen, das irgendwie zu dicht an mich herankam. So, als hätte sie Angst, jemand könnte mich ihr wegnehmen.

Doch ihren Nachsatz, den brachte sie nur sehr selten an. Komisch finden hieß bei ihr ja nichts anderes, als dass die Person fremd und eben nicht ihre Mutter war. Aber wenn sie sagte, dass sie jemanden nicht mochte, hatte das meistens auch einen Grund. Hedwig besaß auch diese Antennen und hatte immer recht behalten.

„Kommt die noch mal wieder?“, bohrte sie weiter, so wie ihre Mutter es auch nervtötend konnte.

Ich zuckte mit den Schultern. „Weiß ich nicht. Ich weiß nur, wie sie heißt, und dass sie mit Mama in einer Klasse war.“

„Hm“, knurrte Lena und presste die Lippen aufeinander. Deutlich konnte ich sehen, dass es unter ihrer blonden, bettzerwuselten Lockenmähne auf Höchsttouren arbeitete. Erstaunlicherweise aber blieb sie stumm.

* * *

Eine weitere heiße Woche war vergangen und das Thema Christel nicht mehr wichtig. Lena fieberte in der Zeit nur noch dem Freitag entgegen. Aufmerksam verfolgte sie täglich den Wetterbericht im Fernsehen. Diesmal stimmte die Vorhersage. Um die Mittagszeit bezog sich der Himmel. Drückende Schwüle kam auf und machte meine eh schon schweißtreibende Arbeit noch um einiges mühseliger.

Und dann kam endlich die Erlösung. Am frühen Nachmittag öffneten sich die Himmelsschleusen. In dicken Tropfen goss es wie aus Kübeln.

Wie eine Verdurstende stand Lena splitternackt im warmen strömenden Regen auf dem Rasen, den Kopf im Nacken und mit weit aufgerissenem Mund. Ein Bild für die Götter. Hedwig liebte auch den Regen. Früher ging sie manchmal sogar extra spazieren, wenn es wie aus Eimern goss.

Ich stand auf der überdachten Veranda und beobachtete das Schauspiel, während meine Kleine, mal stocksteif und dann wieder tanzend, sich im schüttenden Nass vergnügte. Ich musste sie nicht rufen. Sie wusste von allein, wann es gut war. Mir stand lediglich die Rolle zu, sie danach zu empfangen und in ein dickes Badehandtuch einzuwickeln und ihre sowieso fast unbändige Lockenmähne zu rubbeln. Die Zeremonie danach war auch wichtig, nämlich auf dem Kopf anschließend Ordnung zu schaffen. Im Laufe der Jahre hatten wir unsere Utensilien zusammengekauft und in die richtige Reihenfolge gebracht.

Langsam wurde es Zeit fürs Abendbrot. Das bereiteten wir meistens gemeinsam zu. Noch vor dem Regen hatte ich schon Tomaten und Gurke aus unserem Treibhaus geholt. Ohne diese Gemüse brauchte ich gar nicht erst anfangen, den Tisch zu decken. Wenn unsere Saison der eigenen Ernte vorüber war, musste ich notgedrungen auf die Waren aus dem Supermarkt zurückgreifen. Zwar nur missmutig, aber ich konnte meine Tochter nicht davon überzeugen, dass die Sachen sicherlich mit irgendwelchen Mitteln behandelt worden waren. Ein kleiner Sturkopf eben, den sie wohl mir zu verdanken hatte.

Gerade hatte ich ihr IHRE Tomate in die vorgegebene Anzahl Stücke geschnitten, als es an der Tür klingelte. Wir sahen uns an. War mir jemand in Vergessenheit geraten, der das Haus gemietet hatte? Ein schneller Blick auf den Kalender sorgte für Klarheit. Es klingelte noch mal. Wortlos stand ich auf und ging zur Tür. Doch bereits durch das Flurfenster erkannte ich am Wagen, wer draußen stand.

„Guten Abend“, sagte ich wissentlich kühl und blieb auch bewusst in der offenen Tür stehen; zwar sonst nicht meine Art, nur diese Christel wollte ich nicht einfach so reinlassen. Zumal Lena sie nicht mochte. Und meine kleine Familie war mir wichtiger, als irgendein Besuch einer mir fremden Person.

„Ich komme wohl gerade ungelegen?“

Anscheinend spürte sie meine innere Ablehnung ihres Besuchs. „Ja!“, bestätigte ich knapp ihre Frage. „Wir essen gerade und dann muss Lena ins Bett,“ fasste ich mich kurz angebunden.

„Okay. Passt nicht. Tschuldigung wegen der Störung. Alles Gute. Vielleicht telefonieren wir mal. Tschüss.“

Wie schon vor einer Woche ging sie einfach und fuhr wieder davon. So wie es sich für mich anhörte, zurück nach Hamburg. Also weit genug weg, um unser Leben nicht durcheinanderzubringen. Ich machte einfach die Tür wieder zu. Sie winkte nicht, also musste ich es auch nicht tun.

„Wer war das?“, empfing mich die Neugierde in Person.

„Die Frau. Sie wollte nur sagen, dass sie wieder zu sich nach Hause fährt.“ Mir war klar, dass es nicht ganz die Wahrheit, sondern auch ein wenig meine stille Hoffnung war.

„Dann ist ja gut“, sagte sie irgendwie erleichtert, wollte dann aber doch noch wissen: „Wo ist das? Ihr Zuhause?“

„Dem Autokennzeichen nach in Deutschland. Hamburg.“

Lena gab sich mit meiner Antwort offensichtlich zufrieden, denn ich erhielt weitere Anweisungen, wie sie ihr Gemüse gern zubereitet haben wollte.

Nach dem allabendlichen Ritus kümmerte ich mich um meinen liegen gebliebenen Bürokram und rief nebenher Mails ab. Eine Buchungsanfrage aus Deutschland war auch darunter. Gerlinde und Frederick Haller. Mit diesen Namen assoziierte ich unweigerlich ältere Herrschaften jenseits der sechzig. Nicht einfach nur irgendwelche Menschen im vorgerückten Alter. Da ich vom ostfriesischen Landwirt bis hin zum österreichischen Adelsgeschlecht schon so ziemlich alles aus allen Gesellschaftsschichten beherbergt hatte, schrieb ich zurück und bestätigte, dass die gewünschte Zeit noch frei war. Mir waren Ansehen und Herkunft unwichtig. Bei mir stand der Mensch im Vordergrund. Lena war es auch egal. Sie kam mit fast jedem Menschen aus. Wenn unsere Gäste obendrein auch noch Kinder in ihrer Altersklasse hatten, war sie ganz in ihrem Element.

Kurze Zeit darauf kam eine weitere Mail von den Hallers. Ob Kinder ein Problem wären und sie vielleicht auch ihre Boxerhündin mitbringen dürften. Das Tier würde sehr gut gehorchen und nur selten bellen; in fremden Umgebungen wäre sie sogar sehr zurückhaltend. Mit anderen Hunden, auch Katzen und Meerschweinchen, würde sie ebenfalls kein Problem haben. Wildern täte sie auch nicht. Sie hätte alle erforderlichen Impfungen sowie ein Chip im Nacken.

Mir wurde das Tier angepriesen, als wäre ich potenzieller Kaufinteressent. Fehlte nur noch die Information des Preises.

Lena mochte Hunde. Aber erst ab einer bestimmten Größe. Wadenbeißer, wie ich sie nannte, waren nicht ihr und auch nicht mein Ding. Boxer war okay. Wir selbst hatten keine eigenen Haustiere, weil es für uns genug Arbeit auf dem riesigen Areal gab, das zu meinem Haus gehörte.

Also schrieb ich zurück und nannte das Konto, auf das die Anzahlung zu leisten war, wenn sie sich mit meinen AGB, die für jeden Gast galten, einverstanden erklärte.

Eine Stunde später flatterte ihre nächste Mail herein. Frau Haller hätte soeben den Betrag angewiesen und freue sich sehr, mit ihrem Sohn und der Hündin Saskia vier Wochen am See zu genießen.

Ich las nochmals die vorherige Mail. Schrieb sie da nicht von Kindern? Doch darüber nachzudenken, fand ich um diese Uhrzeit nicht mehr angebracht. Vielmehr machte ich mir darüber Gedanken, den morgigen Tag zu gestalten. Lena und ich waren schon lange nicht mehr rausgekommen. Die Temperaturen der letzten Wochen boten es schlicht und einfach nicht an, irgendwelche Unternehmungen zu planen. Für morgen und Sonntag versprach die Vorhersage milde 20 Grad und leichte Bewölkung. Vielleicht sollten wir mal wieder meine Eltern in Svanskog besuchen. Zwar telefonierten wir unter der Woche mindestens ein Mal, aber für einen Besuch mussten wir wenigstens zweieinhalb Stunden fahren.

* * *

Unser Wochenende bei den Großeltern verlief erwartungsgemäß einfach nur entspannend.

Lena war Samstag kurz nach unserer Ankunft verschwunden und tauchte irgendwann abends wieder auf. In der Nachbarschaft wohnten mehr als genug Gleichaltrige, mit denen sie ihre Abenteuer erleben konnte. Große Sorgen machte ich mir nicht. Sie konnte schwimmen und ließ für sie gefährlich erscheinende Sachen bleiben. Fremden Erwachsenen begegnete sie mit äußerster Vorsicht, wenn keiner dabei war, den sie kannte. Meine Eltern befanden meinen Erziehungsstil wieder einmal mehr als etwas zu locker. Diese Diskussion war bei unseren Besuchen leider unvermeidbar. Doch warum sollte ich die Zügel anziehen? Wenn ich meine Tochter rief, kam sie an. Egal, wie spannend das gerade war, was sie machte. Ihr Zimmer hielt sie auch selbst in Ordnung, weil sie hier eindeutig Hedwigs Sinn dafür geerbt hatte. Ich hingegen liebte mein geordnetes Chaos. Manchmal half sie mir im Haushalt mit. Doch gelegentlich musste ich sie hier bremsen. Sie war ein Kind, keine kleine Erwachsene. Auch wenn sie manchmal schon so gerne so groß sein wollte.

Am Sonntag gehörte sie ganz den Großeltern. Sie war der Mittelpunkt ihrer Welt. Kein Wunsch blieb unerfüllt, keine Bitte wurde ausgeschlagen. Ich ließ es mal wieder innerlich kopfschüttelnd über mich ergehen. Andererseits lebte meine Kleine mit reichlich Entbehrungen, was ein intaktes Familienleben anbelangte. Mir tat es ja selbst gut, mich einmal um nichts kümmern zu müssen, an einen gedeckten Tisch zu setzen und fertig gekochtes Essen vorgesetzt zu bekommen.

Natürlich sprachen wir auch über Hedwig und meine Gedanken, irgendwann einmal wieder nach einer neuen Partnerin Ausschau zu halten. Den Schmerz hatte ich überwunden. Mit dem Verlust meiner Frau kam ich auch zurecht; irgendwie. Aber ich war nicht allein und frei in meiner Entscheidung. Was nützte mir eine Partnerin, wenn Lena ihr Veto einlegte?

Alles in allem verbrachten wir trotzdem ein ruhiges und für mich auch sehr erholsames Wochenende. Montag begannen für Lena die großen Ferien, die Letzten als Vorschulkind. Nach den zehn Wochen würde für sie der Ernst des Lebens in der Ganztagsschule anfangen.

Vor mir lagen einige Auftragsarbeiten, die ich mit meiner Mannschaft aber stemmen konnte und nebenher genug Zeit finden würde, meiner Kleinen auch ihre Zeit zu widmen.

* * *

Samstags darauf saßen wir gerade beim Frühstück, als das Telefon klingelte. Ich meldete mich.

„Gerlinde Haller. Guten Morgen Herr Forsdalen. Ich hoffe, ich habe Sie nicht gestört“, klang eine besorgte aber auch leicht verzweifelte Stimme an mein Ohr.

„Keineswegs. Was gibt es denn?“

Auf der anderen Seite hörte ich eine unruhige Kinderstimme und von meiner Gesprächspartnerin ein Schnaufen. „Wir haben uns irgendwie total verfahren.“

Ich schluckte trocken und fragte mich, wann sie wohl aus Hannover aufgebrochen sein musste. „Wo sind Sie denn? So ungefähr“, wollte ich wissen.

Ihr Zögern war nicht zu überhören, als sie sagte: „Årjäng stand auf dem Ortsschild. Glaube ich.“

Mein liebster Satz in diesem Zusammenhang. Glaube ich! Den konnten die meisten Touristen sogar auf Schwedisch! „Wissen wäre eindeutig hilfreicher“, musste ich lachen. Kurz darauf aber konnte sie mir Gewissheit geben, nachdem ich gehört hatte, wie sie eine Person ganz in der Nähe befragte. Wie sie es allerdings geschafft hatte, am unübersehbaren Hinweisschild in Säffle vorbeizufahren, wollte ich gar nicht erst fragen. Allein ihre akustische Verfassung verbot mir alles. Sie war anstatt nach rechts, links von der Schnellstraße abgebogen und in die entgegengesetzte Richtung gefahren. Zurück war kein Problem, so versicherte sie mir. Sie sah bereits Hinweisschilder. Ich fragte die Ortsnamen ab und schärfte ihr das nächste Zwischenziel ein.

Zudem sagte ich: „Wenn Sie von der E18 auf die 175 runterfahren, ist rechts eine Möglichkeit, anzuhalten. Dort treffen wir uns. Ihren Wagen werde ich wohl am deutschen Kennzeichen erkennen?“

Sie intervenierte zwar, aber bei ihrer Ortsunkenntnis käme sie wahrscheinlich in Stockholm raus, wenn ich sie weiter blind fahren lassen würde.

Damit war es bei uns mit der Frühstücksruhe augenblicklich vorbei und Schweinsgalopp angesagt. Ich leitete das Festnetz noch auf mein Mobil um und kurz darauf saßen wir im Wagen. Lena hatte spontan entschieden, das schöne Sommerwetter mit seinen milden 25 Grad dafür zu nutzen, mein gehegtes Schätzchen wieder einmal zu bewegen. Dieses Auto hatte ich mir damals mühsam nach der Lehre erarbeitet. Es war seinerzeit auch in keinem guten Zustand und verlangte ein Jahr Arbeit, bis ich es endlich auf die Straße lassen konnte. Lena liebte mein Cabrio genau so, wie ich. Nicht nur aus dem Grund, weil sie im Kindersitz vorne sitzen durfte. Sie war eine Frischluftfanatikerin, die selbst im Winter bei gekipptem Fenster schlief. Da kam sie ganz nach mir.

Wir warteten vielleicht gerade zehn Minuten, als ein knallroter Volvo Kombi mit Hannoveraner Kennzeichen auf dem Seitenstreifen zum Stehen kam.

Meiner Tochter gingen die Augen über. Rote Autos! Denen schaute sie schon immer irgendwie verliebt hinterher.

Ich stieg aus und gab mich zu erkennen. Obwohl es eigentlich unnötig war, bei genau zwei Wagen. Als Frau Haller allerdings ausgestiegen war und auf mich zukam, spürte ich einen kleinen Kloß im Hals, den ich auch nicht so ohne Weiteres runtergewürgt bekam. Denn weder Gerlinde noch Haller passten zu dem Wesen, das da auf mich zukam. Eine gertenschlanke Schwarzafrikanerin. Leicht tänzelnde Bewegungen, ein fröhliches Lachen im Gesicht und hinter dunkelroten Lippen blitzten schneeweiße Zähne hervor. Sportlich leger, sommerlich gekleidet. Knallbunt und zu ihr passend, wie der viel zitierte Deckel auf den Topf. Ein Goldreif an ihrem linken Handgelenk funkelte im Sonnenlicht. In meinen Alltagsklamotten kam ich mir beinahe schäbig vor. Eine Hand wurde mir entgegengestreckt und ich griff danach. Mich traf es, wie ein Schlag. Samtweich, warm und doch ein fester Händedruck.

Es kostet mich Überwindung, sie nicht die ganze Zeit anzustarren. Wir stellten uns einander persönlich vor und ich bat sie, mir einfach zu folgen.

Als ich wieder im Wagen saß, war Lena kurz davor zu platzen. Und kaum fuhren wir, begann das Trommelfeuer der Millionen Fragen, die ich jedoch kaum oder nur ausweichend beantworten konnte.

Warum ist sie schwarz? Ist Frederick auch schwarz? Hat sie einen schwarzen Popo? Magst du auch rote Autos? Hat sie auch schwarze Füße? Warum hat sie keine schwarzen Zähne?

Irgendwann ging mir die Fragerei nur noch auf die Nerven. Ich war ja selbst leicht neben der Spur. „Lena! STOPP!“, polterte ich sie äußerst ungehalten an. „Es reicht! Und komm nicht gleich auf die Idee sie mit deinen Fragen zu löchern, wenn du ausgestiegen bist. Sie hat das Ferienhaus gemietet und will dort Urlaub machen. Sie ist nicht hier, um von dir ausgefragt zu werden. Klaro?“

Wie immer, wenn ich Lenas Übereifer Einhalt gebot, presste sie bockig die Lippen aufeinander und verschränkte ihre Arme vor der Brust.

Doch meine klare Ansage hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Das entnahm ich der Reaktion meiner nun schweigsamen Tochter.

Meine Gäste lotste ich direkt vor ihr Domizil. Nur kurz fixierte ich Lena mit einem Blick und sie hatte verstanden. Sitzenbleiben und Mund halten. Es musste ihr verdammt schwergefallen sein. Doch sie rührte sich nicht vom Fleck.

Aber nach nur wenigen Minuten hatte sich das Thema schlagartig von selbst erledigt. Denn Gerlinde war einfach zu meinem Wagen gegangen und hatte Lena ihren Sohn und sich selbst vorgestellt. Dass ich somit meine Tochter nicht mehr wie eine Gefangene halten konnte, leuchtete sogar mir ein. Also raus!

Frederick war hellhäutiger als seine Mutter und nach wenigen Minuten mit Lena im Wald verschwunden. Wir hörten sie nur rufen und lachen. Irgendwo knackten Äste und es kamen wieder Rufe. Die beiden waren beschäftigt.

Ich aber auch. Denn ich half, den vollgepackten Wagen zu entladen und bei der Gelegenheit das Haus zu zeigen. Schnell waren wir auch bei unseren Vornamen und Du angekommen. Ich hasste dieses Höflichkeitsgelaber, seit ich in Deutschland gelernt und zwei Jahre als Geselle gearbeitet hatte. Wir Schweden sind in dieser Hinsicht einfach unkomplizierter. Meine Nachfrage, wo denn die Boxerhündin Saskia sei, wurde mit „Ist bei Freunden. Sie ist nicht ganz auf dem Posten“ beantwortet.

Der Wagen war leer und ich rief nach Lena, die wie erwartet zügig aber auch alles andere als sauber antrabte. Nicht nur in dieser Beziehung war eindeutig ein Junge an ihr verloren gegangen. Mein Wirbelwind kannte nämlich kein Halten und sauste selbst im hellen Sommerkleid durchs Unterholz, um daraus als lebende Schlammpackung wieder hervorzukriechen. Tröstlich war für mich, dass auch Fred, wie Gerlinde ihn nur nannte, ebenso aussah. Sie schaute ihren Sohn an, grinste, musste dann lachen und zeigte ihm den direkten Weg ins Bad.

Lena und ich verabschiedeten uns erst einmal von den beiden. Im Gehen lud ich sie zum Abendbrot gegen sechs Uhr ein. Das tat ich eigentlich immer, um unseren Gästen anhand einer Karte zu erklären, wo sie hier was in der näheren und weiteren Umgebung finden würden. Außerdem konnten wir uns auf diese Weise unbefangen beschnuppern.

Doch kaum waren wir zu Hause, sprudelte meine Tochter sofort los. „Die finde ich ganz toll. Die ist richtig nett. Sie lacht so schön.“

Mir klappte der Mund auf. Dazu fehlte mir ein Wort in Lenas Sätzen. Komisch. War sie das nicht? „Bloß nicht nachfragen“, beherrschte ich mich.

* * *

Sehr sorgsam hatte sich meine Kleine geduscht und mich anschließend dazu genötigt, ihr eine besonders schöne Frisur aus ihrer langen Lockenpracht zu flechten. Lediglich ein einfacher Zopf kam überhaupt nicht infrage. Es war beinahe so aufwendig wie zu Midsommar. Nur, dass mir die Gänseblümchen erspart blieben. Das war mehr als seltsam. Zum ersten Mal seit gefühlten Lichtjahren wollte meine Lena hübsch aussehen, wenn eine fremde Frau bei uns im Haus sein würde.

Weit vor der Zeit wurde ich dann auch noch stummer Zeuge, als Lena unser Esszimmer regelrecht herrichtete. Neue Tischdecke, Platzdeckchen farblich passend, einen Strauß Wildblumen mit Gräsern aus unserem Garten in meiner sorgsam gehüteten Kristallvase. Akkurat richtete sie Teller, Besteck und Gläser aus. Ich war mir nicht mehr ganz so sicher, ob das da wirklich meine sechsjährige Tochter war, die viel lieber im Dreck und mit meinem Werkzeug denn mit Puppen spielte. Ganz neue Seiten lernte ich an ihr kennen. Insgeheim war ich froh, vor ein paar Tagen abends noch Staub gewischt zu haben. Denn selbst das entging an diesem Tag nicht den scharfen Augen meiner mir leicht fremden Lena.

Als es dann endlich klingelte, spurtete sie an mir vorbei und riss erwartungsvoll die Tür auf. „Hallo“, lachte sie und ergriff Gerlindes Hand, um sie umgehend hereinzuzerren. Fred stolperte irgendwie unbeholfen hinterher, weil er offensichtlich nicht damit gerechnet hatte, beinahe im Tiefflug bis ins Esszimmer durchzurauschen. Dort angekommen klammerte er sich eher schüchtern an den Arm seiner Mutter.

„Hej. God afton“, grüßte ich bewusst auf Schwedisch. „Varmt välkommen!“ Erst als mich auch meine Tochter mit großen Augen und einem breiten Lachen im Gesicht anschaute, fiel es mir selbst auf. Gerlinde und Fred waren nicht nur herzlich, sie waren wärmstens willkommen.

Lena sorgte umgehend auf ihre Art dafür, dass es gar nicht erst langweilig geschweige denn steif werden konnte. Kurzerhand hatte sie jedem von uns einen Platz zugewiesen. Gerlinde rechts und Fred links von ihr. Basta! Wo ich sitzen würde, ergab sich an unserem runden Tisch somit automatisch.

Aber ich sah die etwas erschrockenen Gesichter unserer Gäste und bat meinen Springbrunnen eben zu mir in die Küche. „Mein Schatz“, flüsterte ich und kniete mich hin, „lass Gerlinde und Fred bitte nebeneinandersitzen. Ich verstehe ja deine Freude, aber es sieht dann so aus, als wenn du dich zwischen die beiden drängeln willst. Ich weiß, dass du sie und ihn gern magst und sie beide neben dir haben willst. Aber bitte, nicht gleich heute. Können wir das so machen?“ Ich sah, dass sie mit den Tränen kämpfte. Sie hatte sich das alles so schön ausgedacht und nun fuhr ausgerechnet ich ihr in die Parade. Mir tat es ja auch leid, aber in erster Linie hatte ich immer noch Freds weit aufgerissene Augen im Gedächtnis. Und die schickten Panik in Reinform durch den Raum.

„Dann will ich aber neben Gerlinde sitzen“, schluchzte sie und sprang mir in meine ausgebreiteten Arme.

Was war nur mit diesem, meinem Mädchen passiert? Und dann krachte mir ein Betonbalken vor die Stirn, als Lena leise weinte: „Ich mag Gerlinde richtig gern. Mama ist in meinem Herzen, aber sie möchte ich da auch haben. Und Fred auch.“

Ich war zutiefst gerührt und spürte, wie auch mir das Wasser in die Augen stieg. Wie lange war es wohl her, dass Lena das Wort Mama ausgesprochen hatte? Lange. Sehr lange.

Einen kleinen Augenblick hielt ich sie noch fest und schmuste mit ihr. Und ich fragte mich ernsthaft, ob Lenas feine Antennen irgendein Signal aufgefangen hatten. Kurz kam mir das flüchtige Zusammentreffen zwischen dieser Christel und Lena in Erinnerung. Damals reichten meiner Tochter die wenigen Sekunden, um sich eine Meinung zu bilden. Heute war es nicht anders, nur schlug das Pendel genau in die andere Richtung aus.

Gemeinsam gingen wir zurück ins Esszimmer. Unser Besuch hatte sich zwischenzeitlich mit Lenas spontaner Sitzverteilung arrangiert. Sehr zu ihrer Freude. Und sie sprach auch das Tischgebet, was sonst eigentlich immer mir zufiel. Auffällig war, dass es unseren Gästen nicht fremd zu sein schien.

Es dauerte auch nicht lange, und wir waren eine fröhliche Runde. Erst hatte ich noch Sorge, dass Lena vielleicht doch eine ihrer Fragen während unserer Fahrt raus haute. Aber nichts schien wichtiger zu sein, als dass ihr Wunsch in Erfüllung gegangen war. Gerlinde und Fred fühlten sich anscheinend auch wohl, denn nach ein paar Anlaufschwierigkeiten bekam auch Fred meinen Vornamen und zum Glück auch schnell das Du über die Lippen.

Lena war so aufgewachsen. Sie war es auch, die mich ungefragt sitzen ließ und unser Haus zeigte. Ob der Besuch nun wollte, oder auch nicht.

Im Gehen erhaschte ich noch eben Gerlindes TutmirleidGeste, bevor mein Minitornado ihre Hand ergriffen hatte und sie anschließend durch unser Domizil geschleift wurde. Fred hingegen schien wissbegieriger zu sein. Denn als der Vorschlag kam, sprang er noch vor Lena vom Stuhl und wartete voller Spannung.

Währenddessen der Tross unterwegs war, deckte ich ab und stellte unsere Weingläser auf den Terrassentisch. Noch stand die Sonne am Himmel und schickte durch das Dach von Blättern und Zweigen der alten Kastanie ihre wärmenden Strahlen.

Nach der Hausbesichtigung brauchte Lena Fred nicht lange fragen, ob er auch noch die Werkstatt sehen will. Seiner Mutter hingegen wurde die ganze Sache offensichtlich langsam unangenehm. Sie lehnte dankend ab. Bevor sie Fred jedoch noch etwas sagen konnte, rannte er schon aufgeregt hinter meiner Tochter her. Seine Neugier siegte.

„Ach. Lass sie doch“, winkte ich ab. „Komm. Setzen wir uns.“ Ihrer Mimik konnte ich dennoch entnehmen, dass ihr die ganze Sache nicht nur etwas peinlich war. Erst als ich noch sagte: „Sind doch Kinder. Die wollen nun mal alles wissen. Mich stört das nicht“, entspannte sie und folgte meiner Einladung.

Aufmerksam ließ sie ihren Blick langsam schweifen. Still beobachtete ich sie, wie sie ebenso schweigsam die Umgebung betrachtete. Mir kam es so vor, als wolle sie jede Kleinigkeit in sich aufnehmen.

Das Wochenende bei meinen Eltern kam mir wieder in den Sinn. Speziell aber eine Aussage und auch Frage meiner Mutter, die mich und Lena gleichermaßen betraf. „Junge, du bist über Hedwigs Verlust und die Trauer hinweg. Das hast du selbst gesagt. Willst du, dass Lena ganz ohne Mutter aufwächst?“

Und nur ein paar Tage später saß jetzt plötzlich diese Gerlinde in meinem Garten. Nicht nur ich war vom ersten Moment an fasziniert von ihr. Geschweige denn, dass ich meine Lena ob der Anwesenheit unserer Gäste kaum mehr wiedererkannte. Ich konnte nicht anders und musterte die junge Frau heimlich aus dem Augenwinkel. Seidig glänzend schimmerte ihre schwarze Haut im Schein der Sonne. Große dunkle Augen, die wahrscheinlich alles sahen. Sanfte Gesichtszüge, aus denen ich ihre Herzenswärme und Güte ablesen konnte. Dunkelrote, volle Lippen. Ich verbot mir weitere Gedanken; und vor allen Dingen Blicke.

Plötzlich war die Kreissäge zu hören und riss uns aus unserer Schweigsamkeit.

„Um Himmelswillen!“, rief Gerlinde panisch und war schon auf dem Sprung.

„Alles Okay“, sagte ich beruhigend und legte kurz meine Hand auf die ihre, streichelte einmal flüchtig darüber. „Keine Angst. Bitte.“ Ich sah ihr tief in die Augen. Die Angst darin war unübersehbar. Darum sagte ich noch einmal leise: „Bitte. Gerlinde. Keine Angst. Vertrau mir und vertrau auch Lena. Sie turnte schon in Windeln durch die Werkstatt. Ich hab mir irgendwann angewöhnt, keine Angst mehr zu haben. Sie weiß, dass eine Säge nicht nur Holz, sondern auch Finger und Hände absägt. Und wenn, dann passiert es auch, wenn ich nicht da bin. Also renne ich nicht sofort hin. Der Schrei kommt früh genug. Das reicht, um einen Arzt zu rufen.“

Ihre Anspannung wich zusehends. Aber ich registrierte auch ihre fragenden Blicke. Sie schien mit sich zu ringen. Ich ahnte schon warum.

„Woran ist deine Frau gestorben?“, fragte sie leise, etwas beschämt.

Ihre Art verblüffte mich trotzdem. Während des Essens kam es zur Sprache, dass ich Witwer bin. Fred hatte Lena gefragt: „Wo ist denn deine Mama?“ Sie antwortete spontan: „Im Himmel. Aber auch bei mir und Papa.“ Gerlinde schien keine große Angst vor solchen Fragen zu haben.

„Krebs“, antwortete ich. „Bauchspeicheldrüse. Es wurde diagnostiziert, versucht zu behandeln und dann schickte man sie nach Hause. Hier ist sie dann auch gestorben.“ Ich wies auf einen sorgsam gemähten Bereich Rasen. „Dort stand die Liege, als sie ihre Augen vor fast drei Jahren für immer schloss. Wir hatten Zeit. Wir hatten Zeit, um es zu begreifen und uns zu verabschieden. Wir hatten eine schöne Zeit. Auch vorher. Hedwig ist für mich da. Lena ist ihr Gesicht.“

„Ich beneide Lena“, flüsterte sie, zögerte einen Moment und fügte an: „Und ich bewundere dich.“

Mir stockte kurz der Atem. Ich musste mich von ihren Augen losreißen. Was darin unausgesprochen zu lesen stand, war kurz davor mich um den Verstand zu bringen.

So wie ich, lenkte auch sie ihren Blick auf das Wasser. Ahnte sie womöglich, was sie in mir ausgelöst hatte? Mit nur diesem einen Blick?

Nach einer kleinen Weile begann Gerlinde leise zu erzählen. „Mich hat es damals aus dem Leben gerissen. Mitten in der Nacht. Polizei, Seelsorger, alle waren sie da. Fred war noch kein Jahr alt, als sein Vater eines Nachts tödlich verunglückte. Vor über fünf Jahren. Er hat seinen Vater nie kennengelernt. Lena scheint Erinnerungen zu haben. Welch ein großes Geschenk.“

Wir schwiegen uns erneut an. Das wusste ich nicht. Bisher ging ich davon aus, ihr Mann müsse arbeiten und konnte sie deswegen nicht begleiten. Doch diese Tragödie war noch um Längen härter, als mein Schicksal. „Warum aber hat Fred nichts gesagt?“, wollte ich ebenso offen wissen.

„Er kennt keinen Vater“, sagte sie etwas niedergeschlagen. „Er kann mit dem Begriff nichts anfangen. Wie auch? Siegfried ist eine unbekannte Person für ihn, die er nur aus meinen Erzählungen und von ein paar Fotos her kennt. Darum redet er auch nur selten oder auch gar nicht darüber.“

Stumm nickte ich. Wahrscheinlich hatte Lena Glück im Unglück. Sie hatte Erinnerungen. Wie weit zurück, wusste ich auch nicht. Aber manchmal sagte sie Sachen, die sie nicht von mir oder meinen Eltern erfahren haben konnte.

„Komisch, dass ausgerechnet wir beide jetzt hier sitzen. Oder?“, sinnierte Gerlinde mehr, als dass sie es wirklich aussprach.

Ich brach in schallendes Lachen aus. Komisch! Das Wort meiner Tochter. Es brauchte eine Zeit, bis ich Gerlinde meine spontane Reaktion erklären konnte. Wir mussten beide lachen. Sie hatte wirklich ein herzerfrischendes Lachen.

* * *

„Magst du sie auch?“, flüsterte Lena, als wir in meinem Bett lagen.

Liebevoll zog ich meine Kleine ganz dicht zu mir heran. „Ja, Lena, sie ist sehr nett.“ Tief in mir hörte ich Hedwigs helles, fröhliches Lachen. Ob es nun hervorgerufen wurde, weil unsere Tochter steif vor Dreck aus dem Wald kam oder sie mit Inbrunst ein Bild und sich selbst bemalt hatte. Ging ein Glas oder Becher zu Bruch, wurden die Scherben zusammengekehrt, das Kind getröstet und es war gut.

„Dann musst du ihr das sagen. Weil … weil ich … sie sehr gern hab.“

Stille.

Ich spürte, dass da noch was wartete, raus zu wollen. Lena holte tief Luft und hielt sie an. Das tat sie immer dann, wenn etwas auf dem Grund ihrer Seele arbeitete. So klein sie auch war, so jung sie auch war. Meine Tochter spürte ich in solchen Momenten ganz nah bei mir.

„Sie ist wie Mama.“

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